Ich kam an einem schönen Tag im März auf die Welt. Frauli und Herrli waren total begeistert von mir und beschlossen, dass ich in drei Jahren die Nachfolge vom alten Floyd antreten soll.
Und so begann meine Karriere:
Zuerst Shows, bei denen ich mit Stolz einige Grand Champions und erste Plätze belegt habe und somit mein Frauli und Herrli endgültig von meinen Qualitäten überzeugt hatte.
Die Jahre gingen ins Land. Ich wurde 3-jährig und hatte meine erste Decksaison.
Die Stuten liebten mich und ich sie, leider wurden sie nicht trächtig und mein Frauli ließ sich schweren Herzens überreden, mich abzugeben.
Ich kam zu einer damals befreundeten Züchterin, die sehr viel Sport mit Lamas machte (ich vergaß zu erwähnen, dass ich auch sehr intelligent bin und mein Frauli meinte, ich sei für den Sport prädestiniert), und diese Züchterin dafür sorgen würde, dass meine Karriere weitergeht. Wie sich später herausstellte, war das ein großer Irrtum...
Na, da war ich nun in *****. Als erstes wurde ich kastriert. War nicht so schlimm, da ich nun meinen Kopf für den Sport frei hatte und nicht mehr die ganze Zeit an die Stuten denken musste. Doch alles andere war nicht so toll.
Als zweites kam ich in eine Junggesellenherde inklusive einem alten Deckhengst. Ausgerechnet ich, wo ich es doch gewohnt war, dass ich geliebt und betuttelt wurde. Jetzt musste ich mich überall durchsetzen. Was ich auch tat, sehr zum Missfallen meiner neuen „Besitzerin“. (Frauli möchte ich nicht zu ihr sagen, denn es gab und gibt nur ein Frauli für mich)!
Da ich nicht zufrieden war, kam was kommen musste. Ich versuchte alles, um meiner neuen „Besitzerin" das Leben schwer zu machen, und sie konnte am Ende nicht mehr mit mir umgehen. Sie schob mich in eine abgelegene Koppel ab und beschloss mich wieder zu verkaufen!
Und hier beginnt meine eigentliche Geschichte:
Meine Rückkehr
Frauli hatte von ihrer Schwester erfahren, dass ich verkauft werden sollte, und war sehr traurig, denn sie wusste, dass die „Besitzerin“ mich an alle anderen verkaufen würde, nur nicht mehr an Frauli. Aber mit dieser Absage begann eine Rückholaktion, die filmreif war.
Frauli's Schwester merkte, wie traurig Frauli war, und rief den Familienrat zusammen. Die beschlossen (ohne dass Frauli etwas davon wusste), dass ich wieder dorthin zurückkehren muss, wo ich geboren und aufgewachsen bin und geliebt wurde. Kurz gesagt - ich muss wieder heim! Aber wie? Ohne, dass Frauli es merkt?
Da Frauli's Schwester eine Ausbildung bei 007 gemacht hat, als Bond-Girl, kam sie auf die Idee, eine „Undercover“-Aktion zu starten. Zuerst gab sie einem Freund namens Thomas (der überhaupt nichts von Lamas wusste), einen Schnellkurs, damit er bei der "Besitzerin" als langjähriger Lamabesitzer, der auf der Suche nach einem Wallach war, auftreten konnte. Das Ziel war mich zu kaufen. Frauli's Schwester hatte nur ein altes Bild von mir, um es Thomas zu zeigen, damit er nicht ein falsches Lama kauft. Als Thomas auf die Koppel kam, hat er mich sofort wieder erkannt, unter all den anderen (ich bin nun mal ein hübscher Kerl).
Thomas und die "Besitzerin" wurden sich sehr schnell einig und Thomas wollte mich am Wochenende abholen. Da sagte die "Besitzerin" plötzlich sie würde mich bringen! Ja wohin denn? Nach Nürnberg in den zweiten Stock, auf den Balkon?
Thomas hatte ja keine Lamas, geschweige denn einen Stall. Jetzt war der Gute aber ganz schon angesch......! Er machte sich mit einer Ausrede ganz schnell vom Acker und rief den W*******-Clan an.
Frauli's Schwester, die sowieso schon auf Kohlen gesessen hatte, ob auch wirklich alles gut gehen würde, war dem Herzinfarkt nahe. Alles schien vorbei mit der Rückhol-Aktion und ich würde mein Frauli wohl nie wieder sehen!
Aber keiner hatte mit dem Bond-Girl gerechnet! Innerhalb von Stunden wurde Plan B in die Tat umgesetzt. Frauli's Schwester wusste von Frauli, dass eine Familie S***** mit ihren drei Stuten (zwecks Familiengründung) im Sommer bei Frauli waren, und sie wohnten in der Nähe von Nürnberg. Sie schaffte es, Familie S**** ausfindig zu machen.
So und jetzt müsst ihr euch vorstellen: Es ruft eine wildfremde Person an, die ihr noch nie gesehen habt, und bittet euch, die "Besitzerin" anzurufen, ob sie einen Wallach zu verkaufen hätte! Würdet ihr das machen?
Die Zeit drängte und für große Erklärungen gab es keine Zeit. Aber das nächste Wunder geschah, Norbert und Helga erklärten sich sofort bereit zu helfen. Norbert rief bei der "Besitzerin" an und sagte, er möchte einen Wallach kaufen, ob sie denn was hätte? Prompt kam die erhoffte Antwort: MICH - und Norbert schlug zu. Allerdings wollte die "Besitzerin" 200 € mehr als tags zuvor bei Thomas. Nachdem Norbert das gehört hatte, war er erst recht entschlossen, mich dort rauszuholen. Ich glaube nicht, dass Norbert die "Besitzerin" noch mag. So, der Kauf war (wenn nichts mehr dazwischen kam) perfekt.
Aber wie komme ich jetzt von Nürnberg heim auf meine Koppel in Reutern?
Als Beifahrer im Auto bestimmt nicht, wenn dann bitte schön standesgemäß im Anhänger.
Anhänger? Wie und Wo?
Frauli's Schwester hatte ja keine Anhängerkupplung, geschweige denn einen Anhänger. Telefone liefen wieder mal heiß. Karin, die Freundin von Frauli, die ja auch Bescheid wusste (alle wussten Bescheid außer Frauli und ich), bot an, über 300 km nach Nürnberg zu fahren, um mich 150 km nach Hause zu transportieren und dann wieder über 300 km heim zu fahren. Sind das Freunde oder was? Aber das sollte man wirklich niemanden zumuten, oder?
Frauli's Schwester musste nun in den sauren Apfel beißen und Herrli einweihen. Der Angstschweiß stand ihr auf der Stirn, als sie Herrli beiseite nahm, und ihm alles erzählte. Sie brauchte doch ein Transportmittel, also stellte sie sich dem Donnerwetter, was wohl jetzt gleich kommen würde. Aber was macht Herrli? Nachdem er ja mehrmals behauptet hatte “es kommt mir kein Wallach ins Haus“, grinst er von Ohr zu Ohr mit Tränen in den Augen, denn er wusste, dass mich Frauli nie vergessen hatte, da mein Namensschild immer noch am Stall hing und ganz ehrlich, glaube ich, dass er ein schlechtes Gewissen gehabt hat, weil er Frauli damals überredet hatte, mich fortzugeben.
Auf jeden Fall war der Transport geritzt! Nun war Timing angesagt.
Norbert machte mit der "Besitzerin" eine Zeit aus, wann sie mich bringen sollte, zeitgleich fuhren Frauli's Schwester und Herrli los, Richtung Nürnberg. Hoffentlich kein Stau, hoffentlich bringt die "Besitzerin" das richtige Tier mit, nämlich mich und kein anderes (Norbert und Helga kannten mich ja auch nur vom Foto). Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich … So waren die Gedanken, als sie nach Nürnberg fuhren. Zeitgleich wurde ich von dem Mann der "Besitzerin" in einen Bus verladen. Kein Abschied, keine guten Wünsche, nur schnell vom Hof und das Geld kassieren nicht vergessen. Das war mein Abschied von ******.
Ich machte mir während der Fahrt so meine Gedanken, wo komm ich jetzt wohl hin? Was erwartet mich da? Werde ich wieder irgendwo hin abgeschoben? Na ja, glücklich war ich nicht, aber es kam alles ganz anders.
Nach einer knappen Stunde Fahrt wurde ich bei Norbert und Helga ausgeladen und kam in einen großen Stall, der hell und freundlich war.
Nebenan waren Mandy, Lena und Laura, drei Lama-Damen, die allerdings von mir nichts wissen wollten.
Ich begann mir alles anzusehen und dachte „nicht schlecht, Herr Specht,“ hier kann man es aushalten. Keine 5 Minuten später fuhr ein Auto mit Anhänger auf den Hof. Als die Insassen ausstiegen, staunte ich nicht schlecht, das ist doch Frauli und Herrli? Nein nicht Frauli, Frauli's Schwester! Aber Herrli ist es ganz bestimmt! Was macht der denn hier? Der will mich doch nicht etwa holen? Doch! Er kommt zu mir rüber und redet mit mir! Bin ich froh ihn zu sehen!
Aber es kommt noch besser!!!!!
Als Frauli's Schwester und Herrli endlich ihren Kaffee und Bier getrunken und sie sich mit Helga und Norbert über den gelungenen Coup gefreut hatten, kam Herrli zu mir in die Box und sagte; „Bua, jetzt geht's Hoim“. Er führte mich in den Anhänger, wo ich noch einen letzten Blick auf Helga und Norbert warf, die Menschen die dazu beigetragen hatten, dass ich wieder dorthin zurückkehren durfte, wo ich hingehöre.
Vielen Dank und auf Wiedersehen ihr beiden!
Wir fuhren los. Mann-o-Mann was waren Frauli's Schwester und Herrli aufgeregt, als sie die Strecke von Nürnberg nach Reutern fuhren. Ich habe sie bis in den Hänger gehört, wie sie jubelten und sich zugeprostet haben. Frauli's Schwester rief sofort Frauli's Eltern an, denn ohne ihre finanzielle Unterstützung wäre der Coup niemals zustande gekommen. Sie vereinbarten einen Treffpunkt, damit sie alle miteinander auf die Koppel fahren konnten. Frauli wartete immer noch ahnungslos auf Herrli.
Am Treffpunkt kurz vor der Koppel wurde noch mein Anhänger geschmückt mit einer roten Schleife und einem Bild von mir.
Dann ging es ab nach Hause!!!
Meine Ankunft
Frauli wartete schon ungeduldig und ein bißchen sauer auf Herrli war sie auch, weil Herrli und Frauli's Schwester so lange fort waren, (aber das wird sich gleich ändern).
Als erstes fuhren Frauli's Eltern mit ihrem Auto auf die Koppel, dann folgte ich im Anhänger.
Frauli war so erstaunt, dass ihre Eltern zu Besuch kamen, dass sie gar nicht bemerkte, wie Herrli mit mir drin vor dem Stall parkte. Ich wusste sofort wo ich war und konnte es nicht erwarten, endlich den Anhänger zu verlassen. Aber nein, was macht Frauli? Anstatt in den Hänger zu gucken, wo ich ungeduldig wartete, hielt sie noch in aller Ruhe ein Schwätzchen mit ihren Eltern. Wo doch alle schon so gespannt waren...
Frauli mach doch endlich auf!!! Wieder mal kam Frauli's Schwester auf eine Idee, sonst wäre ich vielleicht heute noch im Hänger! Sie sagte, sie hätte aus Nürnberg etwas mitgebracht und es sei im Anhänger. Na endlich! Der große Moment war da, auf den alle mit vereinten Kräften hingearbeitet hatten.
Frauli trat zum Hänger, sah die Schleife und das Bild von mir und konnte es nicht glauben. Ja Frauli, ich bin zurück, mach doch endlich den Hänger auf! Frauli fing zu quietschen an, sodass mir die Ohren wehtaten, sie weinte und alle weinten mit.
Was ich ja absolut nicht verstehen kann, denn ich bin doch jetzt wieder da, endlich … Zuhause !!!
Widmung
Diese Geschichte möchte ich all den Personen widmen, die zur Rückkehr von Rossario beigetragen haben. Insbesondere:
Meinen Eltern - ohne ihre großzügige finanzelle Unterstützung es niemals möglich gewesen wäre.
Thomas S. - der innerhalb von 2 Tagen alles über Lamas lernen musste.
Helga und Norbert S. - ohne deren Mithilfe der Plan fast noch gescheitert wäre.
Karin E. - die immer ein offenes Ohr hat und durch halb Deutschland reisen würde, um zu helfen.
Meinem Mann Wolfgang S. - der mich in allem unterstützt, manche Launen ertragen muss und trotzdem immer gelassen bleibt.
Und ganz besonders möchten Rossario und ich, uns, bei meiner Schwester bedanken.
Sie war die Person, die alles geplant, organisiert, tausend Tode gestorben ist und den Plan in die Tat umgesetzt hat. DANKE!
Freunde sind schwer zu finden und nicht leicht zu halten. Aber wahre Freundschaft ist alle Mühe wert.